Die 100 machen wir auf alle Fälle noch voll und danach vermutlich weiter – erklärt Rainer Eckerlin und meint damit das in wenigen Jahren anstehende Jubiläum der Erbacher Lichtspiele. Im Jahr 2012 kann das Kino in der Odenwälder Kreisstadt sein hundertjähriges Bestehen feiern, befindet sich seit drei Generationen in Familienbesitz und gilt als das älteste, noch bestehende Kino Südhessens.
Im Jahr 1912, als die Bilder gerade anfingen, laufen zu lernen, wurde es gegründet. Von Sebastian Eckerlin, dem Großvater der heutigen Besitzer, Rainer Eckerlin und seiner Schwester Inge Claus. Damals befand sich das Kino im Saal des Gasthauses „Schützenhof“ und die Kombination Restaurant und Lichtspielhaus wurde viele Jahre praktiziert. Vor fast genau 60 Jahren, als der zweite Weltkrieg sich dem Ende zuneigte und die Bomben über Darmstadt fielen, lief in Erbach alas letzte Kriegsvorführung Veit Harlans Immensee-Film. 129 Besucher saßen damals im Kino, trotz der Angst vor den Tieffliegern und den heranrückenden Amis. „Unsichere Zeiten“ hatte damals noch eine andere Bedeutung und die Menschen nahmen Abwechslung vom grausamen Alltag gerne und dankbar an.
Von „unsicheren Zeiten“ ist auch heute wieder die Rede, allerdings ohne positive Auswirkungen auf die Lichtspielhäuser. Es wird gespart, auch am Kinobesuch. Eine bis vor wenigen Jahren treue Besuchergruppe, die Jugendlichen der Region, zieht es inzwischen auch nicht mehr so arg ins Kino. Neue Filme können spätestens am Tag nach dem Bundesstart – oft auch schon lange davor – illegal aus dem Internet gezogen werden. Ob das Hocken vom dem Computer oder dem heimischen TV-Bildschirm das Kinoerlebnis ersetzt, ist fraglich – aber es geht wohl nur noch darum, den Film gesehen zu haben und mitreden zu können. „Was für meinen Vater damals das Fernsehen war, ist für uns heute der Computer“, so der Kinobetreiber über die moderne Konkurrenz.
In den Erbacher Lichtspielen hat der Besucher die Auswahl, drei bis vier Filme laufen täglich. Drei Kinosäle mit 72, 104 und 180 Plätzen stehen dafür zur Verfügung und wurden erst vor ein paar Jahren auf den neuesten technischen Stand gebracht. Gespielt wird täglich außer dienstags. Der einzige freie Tag der Woche wird allerdings auch noch gestrichen, wenn der Mittwoch ein Feiertag ist. Am Wochenende ist am Nachmittag Kinderkino, allerdings mehr für Kleinkinder.
„Man muss heute überzeugter Cineast sein und viel Idealismus an den Tag legen, um noch eine Kino zu betreiben“, erklärt Rainer Eckerlin. Seine Begeisterung geht sogar soweit, dass er sich ein kleines Film-Museum leistet. Unter Dutzenden von original-Filmplakaten längst vergangener Zeiten stehen zwölf Projektoren, Vorführmaschinen aus stillgelegten Kinos des Odenwaldes und der Umgebung. Jede davon hat ihre Geschichte, besonders jene, die von 1942 bis 45 in Dresden die Bilder zum Laufen brachte und den Bombenhagel überlebte.
Im Sommer zieht es die Besucher an den langen, milden Abenden nicht so sehr in die dunklen Kinosäle. Also kommt Rainer Eckerlin zu seiner Zielgruppe, in die Schwimmbäder, auf Burgen, raus in die Natur. Mit seinem Open-Air-Kino zieht er durch die Region. Locations sind in Dieburg, Groß-Umstadt, Erbach, Fürth, Lindenfels, die Klingenburg oder die Naturbühne mitten in Wald-Michelbach.
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